Bansky

Mr. & Ms. Makel in der Filterblase

Ich sehe was, was Du nicht siehst

Ich suche und finde gern das gewisse Etwas, den kleinen Ausreißer, die eine positive Macke. Das, was eine Sache, ein Buch, einen Film oder einen Menschen besonders macht. Nur für mich, denn ich bin ein Trüffelschwein.

Wären alle anders, dann wär’ ich gleich

Und ich weiß es, es gibt sie da draußen, die Seelenverwandten. Was mir gleichzeitig aber immer bewusster wird: wir Menschen, die so sind, sind eine Minderheit. Auch wenn jeder von sich behauptet, so zu sein, er ist es nicht. Sonst würde es das Phänomen, das ich nun beschreibe, nicht geben. 

Auf der materiellen Ebene will ein Großteil der Menschen immer das haben, was andere besitzen, dabei aber gleichzeitig das Gefühl haben, anders zu sein. Das funktioniert natürlich nicht. Individuen ja, individuell nein. Sonst wären große Unternehmen wie der Möbelschwede oder der Klamottenschwede nicht so erfolgreich geworden. Bei allem ist es am Ende, dank jeweils vorherrschender Mode, komplett egal, ob Dinge bei dem einem oder dem anderen Riesen gekauft werden. Es herrscht ein ganz bestimmter Stil vor, aus dem nur einige wenige ausbrechen: Dinge geben Kingdom, Dinge nehmen alles!

Filter your World

Noch offensichtlicher wird das, wenn man durch hashtags bei Instagram scrollt. Die Themen, die mich persönlich interessieren, sind erstmal die, die auch viele andere ansprechen: Garten, Interior, Sport, Musik, Essen und Mode.

Folgt man nun einigen Hashtags, fällt auf wie gleichartig eigentlich alles ist. Es ist erschreckend, wie wenig ich neuerdings “raussehen” kann, von wem welcher Post ist.

Das liegt vor allem am Einsatz von Filtern. Sie legen einen Schleier der Gleichförmigkeit über alle Kanäle. Vielleicht denkt man, dass es einen gewissen Wiedererkennungswert hat, wenn man einen bestimmten Filter verwendet. Einen, der den Unterschied zu anderen ausmacht? Nö!

Der Einsatz von Filtern oder die Möglichkeit, Bilder zu bearbeiten, ist ja an sich ganz großartig, kann man so mit einfachen Mitteln aus einem “so lala” Foto ein kleines Meisterwerk machen. Und ja, auch ich mag Fotos, wo drauf geachtet wurde, dass der Horizont gerade ist. Allerdings gucke ich gerne am eigentlichen Motiv vorbei, dorthin, wo das Auge nicht hin soll. Ich bin auf der Suche … Trüffelschwein halt.

Filterherpes

Filter haben, rein psychologisch gesehen, etwas ganz und gar menschliches an sich. Wir brauchen sie, um existieren zu können. Jede/r von uns nutzt sie, jede/r nimmt wahr, packt in Schubladen und färbt seine Erfahrungen retrospektiv ein. Und das ohne Rücksicht auf die Emotionen anderer. Jedem Menschen seine eigene Realität: Ego, Ego, Ego!

In der skizzierten Wirkungsweise sind Filter definitiv überhaupt nicht zeitgemäß. Sie machen gerade in Erscheinungsform der Filterblase alles gleich. Sie grenzen aus, alles “andere” bleibt außen vor.

Klar ist: es geht nicht um das WAS, es geht um das WIE, um die Art und Weise wie verarbeitet wird. Die Art und Weise wie Erinnerungen und Emotionen in der Welt und in uns hervorgerufen werden und wo sie bitteschön zu verbleiben haben! Natürlich immer schön positiv.

Und … man stelle sich einmal die Alternative vor. Einen Menschen mit deaktiviertem oder defektem Filter. Bei ihm wäre der Weg frei zu seinen tiefsten Emotionen, Gefühlen und Ängsten. Also schnell weg da! Mauer hoch, unbeschwert das Dasein genießen und sich einbilden, frei zu sein.

Die unbeschwerte Leichtigkeit des Deins

In der Instagramwelt sieht das dann so aus, dass dieses Phänomen selbst bei den Gartenfeeds, eigentlich eine herrlich anders geprägte Community, immer mehr zunimmt. Hier sind es diese merkwürdigen sehr dunklen Filter, die eingesetzt werden. Die, die jedes grün so petrol machen.

Und diese Epidemie der Gleichförmigkeit macht selbst vor den Texten nicht halt. Auch sie sind ähnlich und austauschbar. Alles gleich: thematisch, inhaltlich, bildlich!

So machen wir uns selbst ersetz- und austauschbar. Wir sind süchtig nach diesen kleinen roten Herzen … anstatt einfach mal das schwarze zu akzeptieren oder die verschrumpelte Rosine zu sehen, die einmal unser eigenes war.

Echt jetzt, Eure Gärten, Eure Wohnungen sehen alle gleich aus für mich! Alle sehr schön, keine Frage. Aber nix mit divers. Und damit habt ihr auch noch unglaublich viele Follower, deren Wohnungen und Gärten auch so aussehen wie Eure. Das ist unglaublich uniformiert. Manchmal kann ich die Wohnungen nur noch anhand der dort lebenden Katzen voneinander unterscheiden. Die Katze als Designobjekt. Super! Ich find’s scheisse.

It takes an ocean not to break

Trüffelschweinen wird das Überleben dadurch extrem schwer gemacht. Es ist ungefähr so, als hätte man uns ohne Schutzanzug in Tschernobyl ausgesetzt. Wir finden kaum noch etwas, und das, was wir finden ist kontaminiert. Das merken wir aber erst, wenn es zu spät ist.

Anschließend müssen wir unsere Wunden lecken, uns neu zusammenbauen. Das ist schmerzhaft, aber immer noch besser als dieses debile Filterlächeln an einem Ort, an dem wir nicht sein wollen. Narben sind ein Attraktivitätsmerkmal, für Mr. & Ms. Makel sowieso!

Hinter all diesen Fenstern

Ja ja, genug gemeckert. Etwas konstruktiver bitte! Na gut! Welche Auswege gibt es also aus dieser Misere?

Man könnte die Filterblase beispielsweise auch positiv wenden um endlich gegen Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Rechtsradikalismus und FÜR Umweltschutz und Weltfrieden einzutreten.

Dafür sind die Filter aber meiner Meinung nach nicht massentauglich genug. Zudem habe ich den Eindurck, dass die Profile häufig ihre Fahne in den Wind hängen, je nachdem was gerade Quote bringt. Marketing!

Ich denke, wir müssen bei uns selbst beginnen. Müssen uns einen eigenen Standpunkt bilden und diesen offen vertreten. Mit Sprache, nicht nur schriftlich oder fernmündlich aus dem sicheren Versteck der Filterblase heraus.

Folge doch einfach wem Du willst!

Mit dieser Eigenschaft sieht die Instagramwelt ganz anders aus. Vieles erscheint plötzlich nichtssagend und beliebig, geradezu langweilig. Zieht man die Posts ab, die eigentlich Werbung sind bleibt sehr wenig übrig.

Nicht falsch verstehen, all diese Kanäle haben ihre Daseinsberechtigung und sind mit Sicherheit nicht schlecht. Die Kunst besteht darin, Inhalt, Unterhaltung und Kommerz unter einen Hut zu bekommen. Das Ergebnis ist aber leider häufig Gleichförmig- und Meinungslosigkeit. Denn der Tod eines jeden kommerziellen Profils ist häufig eine artikulierte eigene Meinung.

Es geht mir darum, dass wir uns davon nicht in einer Welt aus Watte einwickeln lassen und in Avatarform selbst nur noch ein meinungsloses Profil auf zwei Beinen sind. Vielleicht halte ich es ja irgendwann wie Walter Sobchak aus “The Big Lebowski”: ‘Say what you want about the tenets of National Socialism, Dude, at least it’s an ethos’.

Um dies zu vermeiden suche ich persönlich gerne diejenigen Profile, die authentisch sind, es ernst meinen, was zu sagen haben und offen sind. Die Zahl der Follower ist mir dabei egal. Ob großes Profil oder #sinnfluencer spielt keine Rolle. Mein Bauchgefühl täuscht mich selten. Ja, sie sind schwer zu finden und fordern die Auseinandersetzung, auch mit uns selbst.

This quiet company …

Leider scheuen viele Menschen eben jene Auseinandersetzung. Legen sofort den Filter drüber, laufen weg und verstecken sich, zumeist vor sich selbst. Die Blase ist doch so schön unbeschwert und bestätigt einen jeden Tag selbst in dem, was man denkt und tut. Macht doch genau das einfach mal nicht!

Entscheidend ist, dass es für uns alle, ganz tief im Innern, keine Filter gibt. Der Ort, an dem wir mit uns ganz alleine sind, ist filterlos. Nur ich, ich und ich. Und egal, wohin wir auch gehen, die drei kommen mit. Was denkt ihr: Ist Einsamkeit der Preis für unseren Egoismus oder ist es die Freiheit, ‘ganz wir selbst zu sein’?

Ich freue mich über Komentare und Meinungen! Kommt raus aus Euren Verstecken!


Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag entstand im Austausch mit Sandra vom Blog Beetkultur. Einer derjenigen Menschen, der, wie ich, gerne am eigentlichen Bildmotiv vorbeischaut …

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