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Spießertum III: Changes

Turn and face the strange

Die Sonne scheint, Vögel zwitschern. Die Augen ins Nichts gerichtet lasse ich die Gedanken schweifen. Plötzlich werde ich aus meinen Tagträumen gerissen. Es scheppert und dröhnt. Ich schaue hoch und sehe meinen Gartennachbarn mit freiem Oberkörper und in nichts als Shorts seinen Rasenmäher durch seinen Garten schieben. Ich grüße freundlich und gehe auf einen Plausch nach drüben. Anschließend mache auch ich mich an die Arbeit, denn tagträumen klappt nicht mit einem Benzinmäher nebenan. Außerdem muss ich auch noch mähen.

Vor noch nicht allzu langer Zeit wäre dies eine eher abstruse Vorstellung für mich gewesen. Heute aber fühle ich mich pudelwohl im Gartenbauverein.

Ch-ch-ch-changes

Benennt man die ersten Assoziationen, die einem bei dem Wort “Schrebergarten” einfallen, landet man recht schnell bei Vereinsmeierei, Gartenzwergen, Heckenhöhen und Anbauvorschriften. Eine kleinbürgerlich-deutsche Idealwelt, Akuratesse im Kleinformat.

Aus der Vogelperspektive betrachtet lassen sich allerdings Veränderungen ausmachen. Wie bereits berichtet, werden Gartenbauvereine gerade von einer neuen Generation erobert. Wer mit offenen Augen durch eine solche Anlage spaziert, wird althergebrachte Klischees über den Haufen werfen müssen. Der Kleingärtner der alten Schule, der mit einer Nagelschere seinen Rasen bearbeitet ist seltener geworden. Rasenwüsten weichen mehr und mehr Wildblumenwiesen und Naturgärten. Die Interessen des klischeehaft urban-modernen Gartenfreundes wiederum lauten eher: Freizeitgarten, Familiengarten, Nachhaltigkeit, Selbstversorgung, DIY, Upcyling, usw.

Die Mehrzahl der KleingärtnerInnen lässt sich keiner dieser beiden Gruppen zuordnen und liegt mit ihren Interessen und Motivationen irgendwo dazwischen. Der überwiegende Teil der Leute, die ich bisher kennenlernen durfte ist nett, hilfsbreit, offen, immer für ein Plausch zu haben und alles andere langweilig. Und das unabhängig vom Alter. Immer wenn ich im Garten bin habe ich gute Gespräche. Und das nicht nur mit MitgliederInnen des Vereins, sondern auch mit Leuten, die gerade in der Kleingartenanlage spazieren gehen. Gartenfreunde, wie sich Vereinsmitglieder nennen, sind übrigens immer per Du.

Was mich fasziniert, ist die Tatsache, dass mehrere Generationen in einem solchen Verein neben- und miteinander leben. Man reibt sich und diskutiert, arbeitet zusammen und hat Spaß.  Eine solche Vielfalt ist in der heutigen Gesellschaft in dieser Form fast einmalig.

Kuerbis

Ich finde im Verein verborgen einen Mikrokosmos vor, eine Miniaturwelt die man beobachten und aktiv mitgestalten kann. Als Mitglied eines Gartenbauvereins befindet man sich im Idealfall an einem Basispunkt des gesellschaftlichen Wandels.

Für mich hat der Verein aus diesen Gründen nicht nur eine Funktion als grüne Lunge der Stadt oder als Erholungsgebiet. Vielmehr geht es neben der Gartenarbeit um Gemeinschaft, darum unterschiedliche Leute zusammenzubringen und sich zu engagieren, also schlussendlich um gesellschaftlichen Zusammenhalt.

 

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